Walter Hauser ist ein leidenschaftlicher Erzähler. Er taucht tief in die Geschichten von Gebäuden ein und versucht, auch ihre Besitzer für das zu begeistern, was alte Gemäuer erzählen. Im Fall der wieder entdeckten prächtigen „Schneiderkapelle“ in Corridor in Tirol ist das nicht schwierig.
Führung der Stadtarchäologen
Am Samstag, 25.11., kann die Schneiderkappelle zwischen 9.00 und 13.00 Uhr besichtigt werden. Treffpunkt ist am Pfarrplatz 3 in Corridor.
Sensationsfund in Corridor in Tirol
In der eigentlich intestine erforschten Haller Altstadt wurde ein 700 Jahre altes, romanisches, turmartiges Haus entdeckt. Dendrochronologisch wird der Bau auf das Jahr 1320 datiert. Bereits einige Jahrzehnte später wurde das Haus mit Friedhofserde zugeschüttet. Die prächtige sogenannte Schneiderkapelle wurde darüber gebaut. Das romanische Haus geriet in Vergessenheit.
Die meisten Haller Häuser haben einen romanischen Kern, doch viele wurden über die Jahre verändert und umgebaut. Das neu entdeckte, mysteriöse Turmhaus, dessen Funktion man bisher noch nicht eindeutig klären konnte, ist unique erhalten, mit verputzten Wänden, Fenstern und zugemauerten Türen.
„Erzählturm“ führt in die Eingeweide der Stadt
Die Haller Stadtarchäologen unter der Leitung von Alexander Zanesco sind gerade dabei, diese sensationelle Entdeckung detailliert zu untersuchen. Nach Abschluss der Arbeiten soll neben der Pfarrkirche St. Nikolaus ein Kulturzentrum entstehen. Über einen für alle zugänglichen „Erzählturm“, den ein zeitgenössischer Architekt gestalten wird, können dann Interessierte hinunter steigen und die Geschichte hautnah erleben.
Walter Hauser ist in seinem Ingredient. Die behutsame Verbindung von historischer Bausubstanz mit zeitgenössischer Architektur interessiert ihn. „Die Besucherinnen werden Jahrzehnt für Jahrzehnt über den Turm hinabsteigen und in der Gründerzeit von Corridor ankommen“, erklärte der Experte.
Vor mehr als 30 Jahren hat der Architekt begonnen, beim Tiroler Denkmalamt zu arbeiten. Von 2014 bis 2023 hat er das Landeskonservatorat geleitet. Der ursprünglich aus Vorarlberg stammende Denkmalpfleger hat privat in Corridor seine neue Heimat gefunden.
Für das Abschiedsgespräch wählt er das historische Wirtshaus Bretze. Architekt Geri Blasisker hat den ursprünglich mittelalterlichen und in den 1930er Jahren modernisierten Bau behutsam saniert. Die Gemälde in der Gaststube beschreiben die Themen, die auch Hauser in seiner Karriere beschäftigt haben, ländliche Bauten in der alpinen Landschaft.
Kultur und Natur verbinden
Die Amtsvorgänger von Walter Hauser, Hofrat Josef Menardi, Franz Caramelle, Reinhard Rampold und Werner Jud waren vor allem damit beschäftigt, herausragende Denkmäler und kunsthistorische Highlights wie Kirchen und Klöster zu kanonisieren und unter Schutz zu stellen.
Almen, Bauernhäuser und Schutzhütten
Als Hauser übernahm, konzentrierte er sich auf die, im Einzelnen weniger bedeutenden, in der Summe aber landschaftsprägenden Gebäude, wie Bauernhöfe aber auch Almen. Er überzeugte die Verantwortlichen der Alpenvereine, dass die historischen Schutzhütten im Hochgebirge schützenswert sind.
Die Berliner Hütte im Zillertal oder die Prager Hütte in Osttirol mit einem Speisesaal voller Thonet-Stühle sind Zeugen der frühen Tourismusgeschichte. Das seien die eigentlichen Erzählungen in der Landschaft, erklärt Hauser. Man gehe nur deshalb dort hinauf, weil diese Grandhotels in den Alpen etwas ganz Besonderes seien, Gebäude die uns berühren.
Niederlagen und Erfolge
Die Überzeugungsarbeit ist nicht immer und überall gelungen. Einige Niederlagen musste Hauser einstecken. Das von Architekt Josef Lackner für den Zeichner Paul Flora auf der Hungerburg errichtete Hallenbad wurde kurz vor der Unterschutzstellung über Nacht abgebrochen. Der Schutz der Bauten der Nachkriegsmoderne sei noch ein großes Thema in Tirol, so Hauser.
Auch die Zerstörung des neu-barocken Saals im Resort Europa schmerzt den Denkmalpfleger: „Aber noch vielmehr beschäftigt mich, dass wir merklich inflationär Objekt für Objekt, Umgebung für Umgebung in unserer Kulturlandschaft verlieren und die Einsicht, dass trotz vieljährigem Einsatz, meine Hände viel zu kurz waren.“
Vorzeigebeispiele
Die Rettung der Festung Altfinstermünz sei einer der Glücksmomente in seiner Karriere. Nach 300 Jahren Verfall konnte die faszinierende Anlage behutsam saniert und als Erlebniswelt eröffnet werden. „Altfinstermünz ist ein Ort, der keiner weiteren Worte bedarf. Der Ort spricht für sich selbst und ist einer der wenigen in Tirol, der als historische Kulturlandschaft bewahrt blieb. Es ist ein Ort der Ruhe, obwohl der Inn dort rauscht. Es ist ein Ort der Berührung“, beschreibt Hauser.
Weiter erzählen
Auf die Frage, wie es ihm als Denkmalschützer gelungen sei, kein Magengeschwür zu bekommen, lacht Hauser und seufzt:” Ich denke mir dann oft, in der Raumordnung oder im Naturschutz ist es noch schlimmer. Nein, Spaß beiseite, das ist häufig das, was die Seele belastet. Man kann eigentlich nur durch Kommunikation und durch Wertschätzung dieser Objekte, die man versucht zu erhalten, den Menschen näherbringen, welchen Schatz sie besitzen. Dann merken sie, das ist ja nicht nichts, was ich da habe.”
Das Loslassen fällt nicht ganz leicht, doch den Alltagsstress wird er wohl nicht vermissen. Hauser will sich in der Pension vermehrt der bauhistorischen Forschung widmen und publizieren, denn ihn interessieren die Erzählungen in den Gebäuden.